Kartoffel-Installation in einem Güterwaggon. Bahnstrecke zwischen Bremerhaven und Hamburg, 1999.
DAS AUSSTELLUNGSKONZEPT
Die Rauminstallation ‚PATATERS‘ entstand als Beitrag zum Ausstellungsprojekt ‚KunstWagen‘ der Künstlergruppe ‚Das letzte Kleinod‘. Künstler waren aufgefordert anlässlich des 100-jährigen Bestehen der Bahnstrecke zwischen Bremerhaven und Hamburgje eine Rauminstallation zur Geschichte der Landschaft in einem Güterwaggon zu entwickeln. Die Waggons wurden zu einem Zug zusammengekoppelt und waren in verschiedenen Bahnhöfen entlang der Bahnstreckke zu besichtigen.
GESCHICHTLICHE GRUNDLAGE der PATATERS-Installation
Mit der beginnenden Industrialisierung konnte das Gebiet des „Nassen Dreiecks“ zwischen Elbe und Weser entwässert werden und entwickelte sich zu einem der wichtigsten Anbaugebiete für den Saatkartoffelanbau. An der Bahnstrecke befanden sich 27 Kartoffel-Verladestationen. Jedes Dorf hatte mindestens ein Kartoffelvorkeimhaus, in denen die neue Saatkartoffel-Generation von der Ernte bis zur Neuaussaat in übereinander gestapelten, hölzernen Vorkeimkisten gelagert wurden. Hier konnten sie unter optimalen Bedingungen von Licht, Luft und Wärme kräftige Lichtkeime entwickeln, die ihnen einen entscheidenden Wachstumsvorsprung gaben.
DIE INSTALLATION
Der Wagen beherbergt drei Abteile: Den DUNKELRAUM der Vergangenheit, die SCHLEUSE und die LICHTKAMMER der Gegenwart.
DER DUNKELRAUM
Betritt man den DUNKELRAUM umfängt einen erst einmal blau-schimmernde Dunkelheit. Ein Raster aus weißen Rechtecken leuchtet daraus hervor.
Hat man sich erst einmal an das Dunkel gewöhnt, erkennt man, daß die Begrenzungen des sich eröffnenden Ganges aus übereinander gestapelten Kisten besteht. Stapelungen von 440 Kartoffelvorkeimkisten bilden das Wand- und Gängesystem. Jede Kiste ist einer der 440 Kartoffelsorten gewidmet, die zwischen 1900 und 1970 in der Region im Anbau war.
Fast alle dieser Sorten sind inzwischen verschwunden, die meisten Kisten sind deshalb schwarz und leer. Nur das weiß leuchtende Schild nennt Name, Züchter, Verwendungszweck und den Zeitraum des Anbaus. Die im Vergleich zu heutigen Sortenbenennungen eher poetischen, politischen oder beschreibenden Namen spiegeln Zeitgeschichte.
In diesem Mausoleum der erloschenen Kartoffelsorten leuchten einzelne Kisten rot auf. Sie beherbergen die wenigen Sorten, die seit oben genannter Zeit noch im Anbau sind. Glutrot erleuchtet strahlen die Knollen im übrigen kühl-blauen Dunkel die Farbe von Wärme und Lebendigkeit aus.
DIE GRÜNE SCHLEUSE
Durch eine – wie die großen Kartoffellager (zur Vermeidung der schädlichen Vergrünung) – grün beleuchtete SCHLEUSE betritt man schließlich die LICHTKAMMER.
DIE LICHTKAMMER
Dort präsentiert sich das gegenwärtige Kartoffelspektrum. Das Sonnenlicht scheint durch die schmalen Fenster. Große Vorkeimlampen – wie sie in den Zuchtstationen benutzt werden – hängen von der Decke und beleuchten zusätzlich den Raum. Auf einer raumhohen, schiefen Ebene, die die Hälfte der Bodenfläche überspannt reihen sich in akkurater Anordnung 1780 Kartoffeln – je 10 (2 x 5) vorgekeimte Knollen aller 178 derzeit in Deutschland im Anbau befindlichen zugelassenen Sorten. Die Anordnung der Kartoffeln – aufgespießt auf nagelgespickten Holzbrettchen – entspricht der Untersuchungsanordnung des Bundessortenamtes. Die unterschiedliche Beschaffenheiten der Lichtkeime sind essentielle äußere Merkmale zur Unterscheidung der Sorten und zeigen hier einen Ausschnitt der unglaublichen Varianz der möglichen Formen. Die Anordnung von je 10 Kartoffeln gleicher Sorte zeigt ganz nachvollziehbar die typischen Merkmale einer Sorte. Eine skurrile Sammlung bizarrster Formen und vielfältiger Farben.